Projektmanagerin und Moderatorin Franziska Baur stellte im gut besuchten Presseblock den Tatort Natur-Report „Naturschutzkriminalität in Bayern 2019-2020“ vor (www.tatort-natur.de/downloads/) und bilanzierte: In 75 Fällen sind mindestens 121 geschützte Wildtiere im Freistaat nachgewiesenermaßen oder mit hoher Wahrscheinlichkeit illegal getötet oder verfolgt worden. Die Vergiftung mit Carbofuran war hierbei die am meisten angewandte Methode und der Rotmilan das häufigste Opfer. Die Pilotphase hat gezeigt, dass dieses Kooperationsprojekt wichtige und längst überfällige Schritte eingeleitet hat, welche deutliche Signale setzen, um diesen natur- und tierschutzwidrigen Handlungen entschlossen entgegenzutreten! Das Gemeinschaftsprojekt Tatort Natur von Gregor Louisoder Umweltstiftung und Landesbund für Vogelschutz e.V. hat sich mit seiner Meldeplattform und der interaktiven Map zu einem regelrechten Citizen-Science-Projekt entwickelt. Die Anzahl der Meldungen hat deutlich zugenommen, da der Bekanntheitsgrad kontinuierlich steigt. Manfred Jahn (Polizeipräsident, Niederbayern) freute sich über die öffentliche Anerkennung der Behördenarbeit und betonte, dass die Polizei die Fälle von Naturschutzkriminalität sehr ernst nimmt. Prof. Hermann Ammer (Leiter des Lehrstuhls Toxikologie, LMU) betonte nachdrücklich, wie hochtoxisch das häufig verwendete Carbofuran ist: schon in kleinsten Konzentrationen und in Sekunden wirkt das Insektizid tödlich. Gleichwohl hat sich auch angesichts der mangelnden Ermittlungserfolge bei den dokumentierten Fällen gezeigt, dass es noch erheblichen Bedarf für fachliche Beratung bzw. flächendeckende Expertise sowie themenspezifische Fortbildung bei den bayerischen Ermittlungsbehörden gibt. Optimalerweise sollte In jedem Polizeipräsidium ein Expertenteam zur Verfügung stehen, um die nachgeordneten Polizei-Dienststellen zeit- und ortsnah bei den Ermittlungen in Fällen von Naturschutzkriminalität unterstützen zu können.
Diese Dringlichkeit wurde insbesondere nach dem beeindruckenden Vortrag des spanischen Leiters einer Ermittlungseinheit gegen Wildtierkriminalität, Dr. Iñigo Fajardo, klar. In Spanien wird bei Straftaten gegen streng geschützte Arten von Spezialeinheiten ebenso akribisch mit allen kriminalistischen Methoden ermittelt wie bei Mord oder einem Sexualdelikt. Tatorte müssen unmittelbar und gründlich untersucht werden, bevor Spuren und Hinweise durch verschiedene Faktoren (Wetter etc.) verschwinden. Es wird eine akkurate Rekonstruktion der Fakten hergestellt und so die individuelle Handschrift des Täters sichtbar gemacht. Die mittlerweile dadurch erreichte Erfolgsquote ist spektakulär, und die Teilnehmer der Fachtagung waren sich einig, dass der spanische Weg beispielgebend ist. Die intensive und kontinuierliche Kooperation zwischen den zuständigen Stellen auf Landesebene sah auch Jürgen Hintzmann, ehemaliger Staatsanwalt und Leiter der Stabsstelle gegen Umweltkriminalität am Umweltministerium NRW als Schlüssel zum Erfolg. Er stellte fest, dass ein Problem darin liege, dass bislang weder beim Jurastudium, noch bei der Ausbildung von Polizist*innen das Thema Straftaten im Bereich Natur- und Artenschutz behandelt werde.
Eine vorausschauende Bekämpfung solcher Straftaten ist nur möglich, wenn die Fälle gut dokumentiert würden und man mit allen vorhandenen Daten auf Behördenebene konsequent vernetzt sei. Genau daran fehlt es in Bayern derzeit, und es ist nach wie vor sehr schwierig, sämtliche Fälle zu erfassen und vollständig zu dokumentieren.
Im Verlauf der Tagung gab es auch eindrucksvolle Berichte über den Einsatz speziell ausgebildeter Hunde beim Aufspüren von Kadavern, Ködern und Fallen. Mit deren Hilfe können Nachweise zu illegalen Aktivitäten wesentlich effektiver und außerdem zeitnah geführt werden, z.B. um weiteren Schaden zu vermeiden, denn besonders bei Gift herrscht Gefahr im Verzug!
Zusammenfassung:
• Dokumentierte Fälle vermutlich nur Spitze des Eisbergs (ca. 10% der Gesamtfälle) • Derzeit keine ordentliche Tatort-/Spurensicherung; demnach kaum bis keine Ermittlungsansätze (keine Täterermittlung, keine Präzedenzfälle) • Polizei und Justiz dafür nicht ausreichend ausgebildet • Speziell geschultes Expertenteam in jedem Polizeipräsidium Bayern • Einsatz von Spürhunden sehr erfolgversprechend Mehr Infos und eine Checkliste zum richtigen Verhalten bei einem Totfund mit Verdacht auf illegale Tötung: www.tatort-natur.de. Dort können auch Fälle oder Verdachtsfälle gemeldet werden. Der Report Naturschutzkriminalität in Bayern 2019-2020 steht unter www.tatort-natur.de/downloads/ zur Verfügung.
Giftdreieck Niederbayern – TATORT NATUR lobt 5.000€ aus
Nachdem seit Anfang 2021 immer wieder in einem Dreieck zwischen Straubing, Deggendorf und Dingolfing Greifvögel mit typischen Vergiftungssymptomen (teils noch mit präparierten Fleischködern im Schnabel) und Giftköder entdeckt wurden, wird vermutet, dass in Niederbayern ein intensiver Serientäter aktiv ist. Es ist zu befürchten, dass die erstmals großangelegte Suchaktion der Polizei nach weiteren Hinweisen den Täter doch nicht genug abgeschreckt hat und er sich immer noch sicher fühlt. LBV und GLUS loben daher 5.000 € aus, für sachdienliche Hinweise die zur rechtskräftigen Verurteilung des oder der Täter führen. Hinweise an Polizeiinspektion Straubing: 09421/868-0
Hintergrund: Alle Kadaver und Beweisstücke wurden von der Polizei sichergestellt und zur Untersuchung in die tierärztliche Fakultät nach Oberschleißheim gebracht. Beamte der Polizeiinspektionen Dingolfing, Plattling und Straubing arbeiten unter Koordination der Polizeiinspektion Straubing eng zusammen. Bisher konnten durch die Untersuchungen bei vier Ermittlungsverfahren Vergiftungen von insgesamt sieben Mäusebussarden und zwei Rabenkrähen mit einem carbofuranhaltigen Präparat nachgewiesen werden.
Quer-Bericht im BR zu Tatort Natur und der Vergiftungsreihe: https://www.br.de/mediathek/video/vergiftete-koeder-wer-toetet-die-bayerischen-greifvoegel-av:6081ddee0327e00007dbf54a
Luchsmanagement in Bayern -Bestandszahlen weiterhin mit leichtem Aufwärtstrend
Für das Monitoringjahr 2019/2020 wurden in Bayern 70 selbstständige Luchse sowie 27 Jungtiere nachgewiesen. Ein Jahr zuvor waren es 60 selbstständige Luchse und 26 Jungtiere. Ein Großteil dieser Tiere ist grenzüberschreitend im Dreiländereck Deutschland/Tschechien/Österreich unterwegs. Überwiegend in Bayern leben davon 51 Luchse einschließlich 20 Jungtiere. 13 Weibchen wurden mit Nachwuchs festgestellt – der entscheidende Gradmesser für den Zustand der Population. Das Luchsvorkommen in Ostbayern ist eine von drei Populationen deutschlandweit. Trotz der leicht positiven Entwicklung bleiben Luchse stark gefährdet. Aufgrund des zahlenmäßig geringen Nachwuchses und der zögerlichen Erschließung neuer Territorien sind insbesondere kleine Luchsbestände für Störungen sehr empfindlich und können schnell geschwächt werden. Risikofaktoren sind neben natürlichen Todesursachen auch Unfälle im Straßenverkehr und illegale Nachstellungen. Weitere Informationen: Wildtiermanagement große Beutegreifer - LfU Bayern
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